Hermann J. Lantin

Spätestens mit 60 und der Wahrnehmung, dass sich auch ohne tragische Begebenheiten die Reihen der Begleiter der Jugend anfangen zu lichten, wird man sich auch der eigenen Vergänglichkeit etwas bewusster.
Danach geht es dann zunehmend schneller, immer mehr verblassen die zuvor in Gesprächen noch lebendigen Ereignisse der früheren Jahre zu Erinnerungen, weil die Personen fehlen und diese Gespräche somit nicht mehr möglich sind.
Wenn die eigene Familie – Kinder und Enkel, fehlen, man selbst zum letzten Glied einer Kette wird, wandelt sich die früher oft gern gelebte Freiheit und Individualität zum „Fluch“, es fehlt das „gemeinsame, alltägliche Leben“, die vergangenen, spannenden Episoden verblassen mehr und mehr, sterben mit den Protagonisten aus.

Manchmal hat man Glück und trifft auch in späteren Jahren und ohne das Bindeglied der Jugend und früherer, gemeinsamer Erinnerungen auf einen „Seelenverwandten“, einen Menschen mit dem man nicht nur mehr oder minder Oberflächliches sondern tiefere Überzeugungen teilt – so ging es mir mit Hermann.

Hermann, Michael, Horst; Narzissenblüte 2012 – Foto: Horst Freiling

Neben seiner Mitarbeit bei der „initiative tatendrang“ einte uns die Hoffnung, dass es eines Tages eine grundlegend bessere Welt geben wird.
EINE Welt, in der die „zweite“ und „dritte“ Welt nicht mehr in einer Warteschlange stehen und im allmählichen Vorrücken je nach Lust und Laune der „ersten“ Welt deren Errungenschaften – manchmal nützlich, häufig auch nur den teilweise tödlichen Abfall abbekommend, sich ansonsten mit viel Arbeit für einen „Platz an der Sonne“ qualifizieren müssen.
EINE Welt in der echte Gleichheit selbstverständlich ist und nicht nur ein scheinbares, juristisches Konstrukt in den sogenannten Demokratien.
Die Theorien dazu, je nach „Glaube“ – Religionen, Kommunismus oder „Walden Two“ („Futurum II“) sind vorhanden, es fehlt die praktische Umsetzung.

Wir waren uns bewusst, dass wir viele Kämpfe auf diesem Weg verloren hatten, dass meinerseits hoffnungsvolle Pendel der „68er“ ff. längst ins Gegenteil ausgeschlagen war und wir unser „Utopia“ auch im Ansatz nicht mehr erleben würden.
Das machte uns aber nicht hoffnungslos – auch wenn es sich manchmal so anhören mochte, im Gegenteil. Die Menschheit hat in den vergangenen Jahrhunderten so viele Fehler gemacht, irgendwann wird die „politisch-religiöse Klasse“ die dafür verantwortlich zeichnet, abgelöst werden.

Leider wurden unsere Gespräche und sonstigen Treffen, gemeinsame Essen und „Soziales im kleinen Kreis“, in den letzten Jahren von der angegriffenen Gesundheit Hermanns überschattet – er hatte Krebs. Dennoch hatten wir Pläne.

Zwei Mal hat er die Behandlung, Chemotherapie und Bestrahlung, relativ gut überstanden.
Beim dritten Mal aufgrund eines erneuten Krankheitsausbruches ging es ihm aber so schlecht, dass er ein Treffen zum letzten Wochenende absagte, da er sich in Gesellschaft nicht wohlfühle und er sich melden wolle wenn es ihm wieder besser geht.

Dazu ist es nicht mehr gekommen. Hermann ist Anfang dieser Woche so plötzlich verstorben, dass er noch nicht einmal Zeit hatte einen Notruf abzusetzen.

Er vor allem, aber auch unser gedanklicher Austausch wird mir sehr fehlen.


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